Patronage und deutsche Literatur im 18. Jahrhundert Nacim Ghanbari
Im 18. Jahrhundert nahm Patronage eine zentrale Stellung in der deutschen Literatur ein, insbesondere in der Frühphase der Aufklärung und im Übergang zur Klassik und Romantik. In dieser Epoche gab es eine Vielzahl von Bezeichnungen für Personen, die in fest etablierten, institutionalisierten Fördererrollen agierten: Patronin und Patron, Gönnerin und Gönner sowie Wohltäterin und Wohltäter waren anerkannte soziale Rollen, die nicht nur die literarische Landschaft, sondern auch individuelle Lebensentwürfe nachhaltig prägten.
In der vorliegenden Studie werden in sechs Kapiteln verschiedene Aspekte des historischen Sachverhalts ausgewählt und ausführlich dargestellt.
Aus literaturwissenschaftlicher Sicht ist die Bedeutung der Schriftlichkeit in den Beziehungen zwischen Patronen und ihren Klienten besonders bemerkenswert. Die literarische Gattung des „Briefstellers“ sowie die eigentliche Korrespondenz sind Zeugnisse einer komplexen Kommunikationskultur, in der Patronageverhältnisse nicht nur begründet, sondern auch strategisch gepflegt und gelenkt wurden. Briefe und deren Reflexionen bilden den zentralen Kern dieser Habilitationsschrift. Am Beispiel ausgewählter Briefe von Friedrich Gottlieb Klopstock, Anna Louisa Karsch und Johann Wolfgang Goethe wird aufgezeigt, wie diese in ihren jeweils ersten Schreiben an potenzielle Gönner eine öffentliche Persona erschaffen. Die Analyse dieser Briefe legt nahe, dass sie nicht unbedingt als klassische Bittschreiben zu verstehen sind, sondern vielmehr als selbstreferenzielle, soziopoetische Selbstporträts im Kleinformat, die sowohl den literarischen Anspruch als auch die soziale Positionierung der Autorinnen und Autoren reflektieren.
Zur Analyse der historischen Semantik und der Praktiken der Patronage werden Autoren wie Klinger, Knigge, Thomasius, Basedow, Rousseau, Nicolai, Weise, Stockhausen, Klopstock, Goethe, Gellert, Moritz, Bürger und Plautus herangezogen. Gerade das literarische Schaffen und die Publikationsstrategien von Anna Louisa Karsch und Jakob Michael Reinhold Lenz illustrieren eindrucksvoll, wie Patronage als Mittel der sozialen, materiellen und geistigen Unterstützung wirkte und damit die Verbreitung, Rezeption und Tradierung literarischer Werke wesentlich beeinflusste.
Eine weitere Technik, die im Zusammenhang mit Patronage steht, besteht darin, Freunde und Gönner um die Überprüfung der eigenen Texte zu bitten. Dies könnte man als eine Form des gemeinsamen Arbeitens betrachten, als „Kooperation und Kollaboration“, wie die Autorin am Beispiel der Entstehung von Gottfried August Bürgers Ballade Lenore aufzeigt.
Im Rahmen der in der Germanistik üblichen Unterscheidung zwischen dem „freien Schriftsteller“ und dem „ständischen Dichter“ bietet der Band Studierenden und Forschenden eine wertvolle Lektüre. Er erweitert das Verständnis dieser Differenzierung und bietet neue Einblicke in die literarische Praxis sowie die gesellschaftliche Bedeutung der Literatur im Kontext des kulturellen Wandels einer ökonomischen und ästhetischen Befreiung.
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