Die letzte katholische Volksbibliothek Die Pfarrbibliothek Limpertsberg 1909-2020
Im Jahre 2018 veröffentlichten die Lampertsbierger Geschichtsfrënn den schönen Schmöker De Lampertsbierg : histoire d'un quartier florissant. Dort findet man auch u.a. den Beitrag D’Veräinshaus (S. 224 / 85, Avenue Pasteur). Dieses Vereinhaus wurde am 26. Dezember 1936 eingeweiht.
Eine im Buch häufig benutzte Quelle stellt der Wegweiser und Jahrbuch … der Pfarrei St. Josef Limpertsberg (BnL, LZ 478) dar. Der Wegweiser des Jahres 1937 wird zitiert sowie die diesem Artikel beigeordnete Zeichnung „Kath. Vereinshaus“ (S. [41]). Nebenbei erwähnt wurde die Tatsache, dass sich dort seit Monat März 1937 eine Borromäusvereins-/Pfarrbibliothek befand. Ein Kuriosum stellt jedoch die Tatsache dar, dass der Vereinshausneubau von Anfang an einen Bibliotheksraum vorsah.
Im Erdgeschoss sind 3 Säle: 1. der Festsaal, […] . 2) [!] ein Saal zur Unterbringung der Borromäusbibliothek. Während der Festsaal nach hinten gelegen ist, stösst der Bibliotheksraum auf die Pasteuravenue. Sein Vorbau mit dem grossen Schaufenster dient als Bücherauslage. Dieser Saal ist lichtdurchflutet und kann bei voller Ausnützung 8.000 Bände und mehr aufnehmen. 3) ein kleiner, ebenfalls auf die Pasteuravenue stossender Saal, der u.a. den Damen vom Ouvroir als Arbeitsstätte dient. […] (S. 39-40)
Welche nicht-staatliche öffentliche Bibliothek kam in Luxemburg jemals in den Genuss eines besonderen neuerbauten Raums, den sie ganz alleine nutzen durfte? Kaum eine, denn es waren immer bestehende Räumlichkeiten oder Umbauten. Und etwa als absolut hervorragendes Element eines Neubaus? Keine. Immerhin kann die Stadtbibliothek Luxemburg, seit der Einweihung am 25. September 2009 am heutigen Standort, erwähnt werden. Gibt es andere Beispiele? Eben die katholische Volksbibliothek Limpertsberg im Jahre 1936!
Am 26. Januar 1909 gründete Kaplan Jean Baptiste Bormann (1874-1948) mit Mitstreitern einen Limpertsberger Borromäusverein(BV)-Ableger. Der deutsche BV, seit 1847 durch Vermittlung des apostolischen Vikars Jean-Théodore Laurent (1804-1884) in Luxemburg aktiv, half bei der Errichtung von Volksbibliotheken, deren Ziel der Verbreitung des „guten Buches“ gewidmet war.
1926/27 berichtete die bisher einzig bekannte nationale Pfarrbibliothekenstatistik (Lux. Volk, 02.10.1927), dass die Limpertsberger mit 2.200 Bänden die zweitgrößte und mit im Jahre 1926 2.500 ausgeliehenen Bänden ebenfalls zweitstärkst genutzte katholische Volksbibliothek des Landes war. 1932 wieder zu den BV-Bibliotheken zählend (Lux. Volk, 26.02.1933) war Limpertsberg der landesweit bei weitem mitgliederstärkste Verein (182) des Landes.
Am 17. Oktober 1964 wurde die Pfarrbibliothek Limpertsberg, neben Bonneweg, Weimerskirch und Gasperich, im Luxemburger Wort (LW, S. [15]) zu den vier Modellbibliotheken katholischer Bibliotheksarbeit des ganzen Landes gezählt. Und Limpertsberg überlebte alle. 1935 existierten im Großherzogtum Pfarrbibliotheken mit insgesamt 50.000 Bänden in 77 Ortschaften. 1960 waren es ungefähr 200, wenn auch oft in Form von Bücherschränken. Ab den 1970er Jahren setzte ein allgemein massives Bibliothekssterben ein. Im Jahre 2002 waren noch vier übrig: Ulflingen (†Oktober 2002), Mersch (†Mai 2006) und Ettelbrück (†April 2009) sowie Limpertsberg.
Am 28. November 2009 feierte man noch 100 Jahre Existenz (LW, 20.11.2009). Im Porbréif der Por Lëtzebuerg Notre-Dame, 19.07.-30.08.2020 (S. 17), wurde dann allerdings die Auflösung bekannt gegeben. Am 01. und 26. September 2020 war sie zuletzt geöffnet, um möglichst alle Bücher gegen eine freiwillige milde Gabe abzugeben. Nach 111 Jahren verschwand die letzte luxemburgische katholische Volksbibliothek lautlos von der Bildfläche. Das Vereinshaus mitsamt seinem einzigartigen bibliothekshistorischen „Vorbau mit dem grossen Schaufenster“ besteht weiter.
Eine besonders reichhaltige Dokumentensammlung der langlebigsten sowie bestandsmäßig größten Pfarrbibliothek unseres Landes wird Spezialbestand zur luxemburgischen Bibliotheksgeschichte in der BnL aufbewahrt. Die letzte katholische öffentliche Bibliothek des Landes und ihr Wirken sind nicht vergessen.
Erschienen in Die Warte, 10. März 2022, S. 9.
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