»Spigel, Spigel, hopp we’ de Wand! Wién ass de’ Sche’nst am ganzen Land?«

Märchenoperetten in Düdelingen

Musikbestand des Cedom

Elisabet Wirtz-Lemmel

Der 1. November 1940 ist ein geschichtsträchtiger Tag für die Düdelinger Schulkinder. An diesem Tag wurde Jean Eiffes, Komponist und freiberuflicher Musiklehrer, von der Gemeinde Düdelingen als Gesangslehrer an den Primärschulen angestellt und legte somit den Grundstein zu einer Reihe von reich inszenierten Märchenaufführungen, Schultheater par excellence.

Der Komponist Jean Eiffes und die beiden Textdichter Félix Haas und Pierre Oé in Düdelingen nach einer Aufführung von »Rumpelstilzchen« im Jahr 1954. Léon Koerperich und Robert Krantz: Jeng Eiffes. In: Revue, 1970 n°6, S. 47.

Der am 3. September 1889 auf dem Tattenberg in Düdelingen geborene Jean Eiffes bemühte sich schon länger um eine feste Anstellung in seiner Heimatstadt, in der er mit seiner Frau Catherine Witry und seinem ebenfalls musikalisch begabten Sohn René lebte. In der Tat war er als Musiker in der Stadt bereits seit langem aktiv, aber da die Stadt noch keine Musikschule besaß, musste er sich mit kleineren Anstellungen zufriedengeben. Er dirigierte den Cercle symphonique sowie den Gesangsverein Eintracht. Als Komponist gelangten ihm Gassenhauer wie Kättche, Kättche, bréng mer nach e Pättche. Er vertonte einige vom Theaterverein aufgeführte Stücke, wie De Knéckjang, De Rossbayard, Den néie Reichen (Text: Jean-Pierre Hoffmann) oder Kuddel-Muddel (Text: Jängi Fohrmann). Zu den Stummfilmen im Kino Gehrend stellte er Filmmusik zusammen, die er entweder selbst am Klavier improvisierte oder für das Kinoorchester arrangierte. Als der Tonfilm den Stummfilm ablöste, verlor er auch diese Einnahmequelle. Seine Idee, eine Gesangschule in Düdelingen zu gründen, reichte er am 12. März 1936 beim Gemeinderat ein, jedoch ohne Erfolg.

In der letzten Gemeinderatssitzung im Jahr 1940, bevor die deutschen Truppen das Land besetzten, nahm man sich seines Anliegens noch einmal an, und Bürgermeister Théodore Thiel richtete für ihn eine Stelle als Musiklehrer an den Primärschulen ein.

Eiffes baute einen Schulchor auf, der großen Zulauf hatte. Nach Kriegsende begann er mit den großangelegten Aufführungen von musikalischen Märchenspielen in luxemburgischer Sprache. Die Vorstellungen fanden jeweils im Januar anlässlich des Geburtstages der Großherzogin Charlotte statt, und die Einnahmen kamen einem wohltätigen Zweck zugute. Das Beeindruckende dabei war, dass jedes Märchen ein Gesamtkunstwerk darstellte, das ausschließlich von Lehrkräften und Schülern realisiert wurde. Lehrer schrieben die Texte, führten Regie und gestalteten Kostüme und Kulissen, Jean Eiffes komponierte die Musik und dirigierte das Orchester, das sich ebenfalls aus Düdelinger Lehrkräften zusammensetzte. Die Schüler standen als Schauspieler, Sänger, Tänzer und Statisten auf der Bühne und malten die Plakate zur Aufführung. Um die Choreografie der Reigen kümmerten sich die beiden Turnlehrer Anny Rossi-Holtz und Jey Kugeler.

Die Theatermusik von Jean Eiffes war stets recht umfangreich und nahm einen großen Teil der Aufführung ein. Sie bestand aus Chören, Soli, Duetten, Melodramen und Tänzen. Da er seine kleinen Sängerinnen und Sänger gut kannte, konnte er ihnen die Rollen auf den Leib schreiben.

Klavierauszug von »Rumpelstilzchen«. BnL, Cedom, Fonds Jean et René Eiffes, LMF 11 I.1.1.13.2.

In der ersten, von der Presse beachteten Schüleraufführung 1947 nahm sich Eiffes zunächst einmal ein bereits bestehenden Märchentheater vor, das Zwergevollek vum Groestén, ein Text von Nicolas Wampach (in einer Bearbeitung von Franz Binsfeld) mit musikalischer Vertonung von Bernard May. Im Jahr darauf schrieb Eiffes dann eine eigene Märchenmusik mit 13 Nummern zum Theaterstück D’Routkäppchen von Céline Clemen (Tochter des Komponisten Alfred Kowalsky), das bereits im Jahre 1922 unter dem Pseudonym C.C. bei Worré-Mertens erschienen war. Folgt man der Meinung der Rezensenten, schien sich der Text aber nicht unbedingt für Schülertheater zu eignen, denn trotz der Kürzungen, die Jean Eiffes selbst in seinem Textbuch vornahm, besaß der Text immer noch Längen. Folglich gingen die beiden Düdelinger Lehrer Josy Besch und Félix Haas selbst ans Werk, ein Märchen ins Luxemburgische zu übertragen, und so kam 1949 Schneewittchen auf die Bühne. »Le’f Kinnigin, Dir sidd de’ Sche’nsten hei am Land, awer d’Schneewittchen ganz elèng, bei den Zwèrgen le’f a klèng, ass weit a brèd dât sche’nste Kand!«, antwortet der Spiegel wiederholt der insistierenden Königin in dem durchgehend in Versform geschriebenen Theatertext, zu dem Jean Eiffes insgesamt 18 Musiknummern komponierte.

Düdelinger Schüler nach einer Aufführung von »Schneewittchen« im Januar 1949. In: Escher Tageblatt, 27.01.1949, S. 4. Foto: N. Jung.

Als nächstes realisierte die Schulgemeinschaft das von Hary Trauffler verfasste Kinderstück Eng Gölde We’, zu dem Jean Eiffes 33 musikalische Nummern schrieb und das am 20. Januar 1951 Premiere hatte. Auch Hary Trauffler war Lehrer (in Mamer) und wusste sich beim Schreiben seines Textes auf die Schüler einzustellen.

Theatertext zu »Eng gölde We’« mit Widmung vom Autor Hary Trauffler an den Komponisten. BnL, Cedom, Fonds Jean et René Eiffes, LMF 11 I.1.1.1

Mit D’Wonnerblum (Der Froschkönig) und Rumpelstilzchen standen in den Jahren 1952 und 1954 dann wieder Düdelinger Eigenproduktionen auf dem Programm, denn die luxemburgischen Dichtungen dieser beiden Grimmʼschen Märchen stammten aus der Feder der Düdelinger Lehrer Félix Haas und Pierre Oé: »Rumpelstilzchen gin ech genannt, mein Numm ass kengem Mönsch bekannt, Rumpelstilzchen ass mein Numm, drémt dach nömmen nie dervun.« Rumpelstilzchen war sogleich Eiffes’ letzte Märchenproduktion, denn obwohl voller Tatendrang, musste er nach 14 erfüllten Berufsjahren im Schuldienst den Ruhestand antreten. Er starb nur wenige Jahre später, am 22. Juli 1961 und wurde auf dem Friedhof im Rollingergrund beigesetzt. Der Posten eines speziell ausgebildeten Musiklehrers an Düdelinger Primärschulen war einzigartig, Jean Eiffes hatte weder Vorgänger noch Nachfolger.

Beginn des Textbuches zu »Eng Wonnerblum«. BnL, Cedom, Fonds Jean et René Eiffes, LMF 11 I.1.1.17.

Nur knapp ein Jahrzehnt später wurden wieder Märchen gespielt, diesmal von professionellen Schauspielern rund um Eugène Heinen im Stadttheater in Luxemburg. 13 Jahre lang, jeweils vor Weihnachten, führte das Letzeburger Theater ein Märchen in luxemburgischer Sprache auf. Die Libretti dazu stammten von René Weimerskirch, Fernand Hoffmann, Félix Mersch und Norbert Weber, der in seinem Schnéiwittchen die Königin fragen lässt: »O Spigel, o Spigel, komm so mer et gläich, wén as déi Schéinst am Kinnekräich?«

Märchen-Hörspiele vom Letzeburger Theater auf Schallplatte 1963. Cover von Ger Maas. BnL, Cedom, Collection des disques sonores.

Im Vergleich zu den Düdelinger Märchenoperetten stand beim Letzeburger Theater eindeutig das Schauspiel im Vordergrund, der Musik kam in diesen Theaterstücken vermutlich nur eine die Handlung unterstützende Rolle zu. Dazu wurde zu jedem Märchen ein Komponist mit der musikalischen Gestaltung beauftragt, und so wurde 1963 René Eiffes, der Sohn von Jean Eiffes, Violinprofessor am hauptstädtischen Konservatorium, damit betraut, die Musik zu Schnéiwittchen, Hänsel a Greidel sowie zum Daapere Schneider zu schreiben. Alle drei Märchen kamen als Hörspiel auf Schallplatte heraus, auf denen René Eiffes mit seiner Violine und kleinem Orchester die Handlung durch Musik und Effekte stimmungsvoll untermalt. 2017 nahm das städtische Theater die Tradition wieder auf und beauftragt Luxemburger Autoren mit Theaterstücken und Märchen.

 

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