Für Handwerk, Gewerbe und Nation Die Ausstellung für das Handwerk und Kleingewerbe in Luxemburg von 1904
Zum Eintrittspreis von 50 Pfennig konnten sich Interessierte aus dem In- und Ausland vom 15. August bis 15. September 1904 auf der Ausstellung für das Handwerk und Kleingewerbe über die neuesten Errungenschaften auf diesen Gebieten informieren. Bei der Schau sollten die Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit von Maschinen und Werkzeugen für das Handwerk und die Kleinindustrie aufgezeigt werden.
Zudem sollten die im Land gefertigten Erzeugnisse der Öffentlichkeit vorgeführt und neue Absatzmärkte für die einheimische Produktion erschlossen werden. Die Ausstellung von 1904 war mit 80.000 verkauften Eintrittskarten gut besucht und markierte laut Bericht über Handel und Industrie während des Jahres 1904 einen eindrucksvollen Meilenstein in der industriellen Entwicklung des Landes. Zudem wurden 30.000 Lose für die Ausstellungs-Lotterie verkauft mit Preisen im Gesamtwert von 7500 Francs, darunter Gemälde der bekannten luxemburgischen Maler Guido Oppenheim und Frantz Seimetz, aber auch praktische Gegenstände wie Nähmaschinen oder eine komplette Schlafzimmer-Einrichtung.
Über moderne Arbeitswelt, Patriotismus und Wein
Zehn Jahre nach der ersten internationalen Gewerbeausstellung in Luxemburg sollte die Folgeveranstaltung den Fortschritt von Handwerk und Kleingewerbe im Großherzogtum würdigen. In seiner Eröffnungsrede auf „Luxemburger Platt“ erinnerte Staatsminister Paul Eyschen an die vielen Veränderungen, die das Handwerk durchlaufen und auch künftig zu meistern habe. Alle Luxemburger sollten „dem nationalen Handwerke zu seiner Wiedergeburt behilflich sein. Unsere Handwerker sind fleißig und intelligent, das Ausland hat in keiner Beziehung ihnen etwas voraus, und deshalb lasse man hier im Lande seine Sachen machen und trage nicht das Geld in’s Ausland“ (Bürger- und Beamten-Zeitung, 20.08.1904, S. 1).
Die Ausstellung sollte den Wettbewerb für Gewerbetreibende des In- und Auslandes in den Bereichen Motor, Maschinen und Werkzeuge steigern, wohingegen Fabrikate nur zugelassen waren, „wenn deren Entstehung ganz oder doch zu einem wesentlichen Teile oder deren Veredlung im Großherzogtum selbst bewerkstelligt worden ist“, wie aus dem Rundschreiben des Ausstellungskomitees hervorging. Die Bürger- und Beamten-Zeitung zweifelte so auch nicht daran, dass „luxemburgischer Kunstsinn und Gewerbefleiß, die überall in der Welt in so hohem Ansehen stehen, gut abschneiden werden.“ Doch nicht jeder war so positiv gestimmt: Die sozialistische Zeitung Der arme Teufel etwa stellte die Nützlichkeit der Ausstellung in Frage, da „die oberen Zehntausend“ es weiterhin vorziehen würden, im Ausland u. a. ihre Möbel und Schuhe zu bestellen, so wie dies nach der Ausstellung von 1894 der Fall gewesen war, wo man zwar die fein gearbeiteten heimischen Möbel bewundert hatte, der Großherzog dennoch drei Tage später seine neuen Einrichtungsgegenstände in Frankfurt bestellt habe.
Der Ausstellungskatalog listet 385 Aussteller aus den verschiedensten Bereichen auf. Hinzu kam eine retrospektive Ausstellung, in der eine nachgebildete altluxemburgische Bauernwohnung zu bewundern war, die Ehrenstaatsarchitekt Charles Arendt detailgetreu zusammengestellt hatte. Auch die Ausstellung der Weinbau-Kommission mit Ausschank inländischer Weine und Biere im Ratskeller fand großen Anklang bei den Besuchern und „den ganzen Tag über waren sämtliche Tische und das Komptoir wirklich belagert von Besuchern, die sich an den süffigen Gewächsen unserer Mosel laben wollten“ (Obermosel-Zeitung, 17.07.1904, S. 1): Nur die besten Jahrgänge, wie der 1900er, wurden ausgeschenkt und kamen so gut an, dass Rufe laut wurden, der Ratskeller möge auch nach Ausstellungsende weiterbestehen. Gut gestärkt konnte der Besucher dann alle möglichen Exponate entdecken, die dem Handwerk und der Kleinindustrie einen neuen Aufschwung verleihen sollten.
Über die Gesundheit am Arbeitsplatz
Staatsminister Eyschen betonte in seiner Rede, dass die Maschinen nicht zum Ziel haben sollten, das Handwerk zu vernichten, sondern vielmehr die Tätigkeiten des Arbeiters weniger anstrengend und rentabler zu gestalten, indem sie ihm ermöglichten, gründlichere und schnellere Leistungen zu erbringen. Die technische Erziehung der Handwerker und Kleinindustriellen war die Losung der modernen Arbeitsorganisation. So sollte veranschaulicht werden, wie jene von der Maschine profitieren könnten, um nicht im ungleichen Kampf mit der Großindustrie unterzugehen.
Der mechanische Betrieb barg Chancen, brachte aber auch neue Gefahren wie Verletzungen oder andere Gesundheitsprobleme mit sich. Aus diesem Grund wurde dem Gebiet des Unfallschutzes und der Gewerbehygiene 1904 auch eine Sonderausstellung gewidmet. Schäden durch sogenannte Gewerbekrankheiten wie Lungenschwindsucht oder Tuberkulose waren etwa zurückzuführen auf das Einatmen von Staub oder Gasen, den Mangel an frischer Luft und Bewegung oder auf ein ungesundes Arbeitsumfeld. Aufmerksamkeit erhielten so etwa Staubfilter oder „Leos Trockenkorb mit Gasabsauger“ des Ingenieurs Otto Leo aus Berlin, welcher das Ausströmen schädlicher Gase beim Austrocknen von Neubauten verhindern sollte. Arbeitskleidung, die nur am Arbeitsplatz zu tragen war, sollte verhindern, dass die Arbeiter den Schmutz und den Staub in die eigene Wohnung trugen. Spezielle Modelle wie „Bücking’s Schutzhosen mit selbsttätigen und elastischen Trägern“ bewahrten die Werktätigen beim Umgang mit den Maschinen vor Verletzungen.
Neben all diesen Maßnahmen wurde auch vermehrt die Bedeutung der Reinigung des Körpers durch Waschen und Baden betont, wobei vor allem die Produkte der Firma Albert Louis Würth (1872-1942) aus Hollerich im Ausstellungskatalog lobend hervorgehoben wurden. Der Ingenieur und Bruder von Paul Würth (1863-1945), der Geschäfte für hygienische Anlagen und Gasinstallationen, Heizung und Ventilation in Luxemburg und Hollerich betrieb, präsentierte 1904 u. a. eine „complette Bade-Einrichtungen für Gas- und Kohlenbefeuerung mit Douche und Douchemantel“ sowie einen „Waschtisch mit Nickelsyphon, Spiegel, Handtuchhalter, Seifenhalter etc.“ und ein „selbstspülendes Watercloset“. Letzteres galt in der Gewerbehygiene als unverzichtbar, da es der Verschleppung von Krankheiten und Leistenbrüchen vorbeugen sollte. Die Bürger- und Beamten-Zeitung vom 25. August 1904 lobte Würths Angebot als „in jeder Beziehung interessant und lehrreich“. Tatsächlich bot Würth neben den Hygieneartikeln noch viele andere praktische Utensilien für den Haushalt an, wie einen Warmwasserapparat, Lampen oder verschiedene Spiritusapparate wie Bügeleisen oder Kocher. Der Traum vieler Hausfrauen sei jedoch, laut L’indépendance luxembourgeoise vom 13. September 1904, ein hübscher Ofen mit weißen Mosaiken, der Gas- und Kohleofen in einem einzigen Möbelstück vereint.
Von Mai bis September 1915 war erneut eine Bau- und Gewerbeausstellung in Esch/Alzette geplant, für die die Veranstalter mit der Beteiligung von 150 bis 200 führenden, ausländischen Firmen rechneten. Das Großereignis fand jedoch aufgrund der Kriegswirren nicht statt und wurde erst 1923, vom 8. bis 18. September, als nationale Gewerbeausstellung (Exposition nationale des Arts et Métiers du Commerce et du Travail) ausgerichtet. 1922 fand in Luxemburg-Stadt dann auch die erste sogenannte „Mustermesse“ statt, welche mit 556 Ausstellern und 100.000 Besuchern den erfolgreichen Grundstein für die Luxemburger „Foire" legte, die unter unterschiedlichen Formen bis zur heutigen Frühjahrsmesse Bestand hat.
Erschienen in Die Warte, 18. April 2024.
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