Die Geschwindigkeitsfabrik : eine fragmentarische Kulturgeschichte des Autounfalls Matthias Bickenbach, Michael Stolzke
„Dieses fortwährende Massaker gilt als das Gewöhnlichste der Welt; es ist das Gewöhnlichste von der Welt.“
Dieses Zitat Hans M. Enzensbergers über Straßenkarambolagen stellen die Autoren Matthias Bickenbach und Michael Stolzke ihrer ebenso unbequemen wie faszinierenden Kulturgeschichte des Autounfalls voran - eine Kulturgeschichte, die eigentlich eine Liebesgeschichte ist: die Liebe zur Geschwindigkeit und zu Pferdestärken, aber auch zur Freiheit, Autonomie und Individualität. Kaum eine andere Erfindung hat das 20. Jahrhundert so geprägt wie das Automobil, kaum ein anderes Kulturobjekt spiegelt die Sehnsüchte und Ideale der Moderne so treffend wie das Automobil. Insofern kann man das vorliegende Buch auch als eine Chronik der fortschreitenden Dekonstruktion des automobilen Traums lesen.
Über die Analyse von literarischen, medialen und technischen Diskursen zeichnen die Autoren ein multiperspektivisches Porträt der spannungsgeladenen Beziehung zwischen Mensch und (Renn-)Maschine und spannen dabei einen Bogen, der vom späten 19. Jahrhundert bis zum frühen 21. Jahrhundert reicht. Beeindruckend ist die Vielfalt der rezipierten Quellen: Romane, Zeitungsartikel, Werbeanzeigen, Plakate, Kunstwerke, Witze, Spielzeuge sowie Film und Fernsehen werden herangezogen, um den Weg des Automobils vom Prestigeobjekt der Eliten, zur Projektionsfläche der träumenden Massen bis hin zum Sündenbock der Umweltkrise nachzuzeichnen.
Ernüchternde Schlussfolgerung der Studie ist die Untrennbarkeit von Traum und Trauma: Der Unfall war und ist geduldeter Teil des automobilen Traums. Eine ebenso (ver)störende wie notwendige Lektüre.
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