Gegen Trunksucht und Branntweinplage Der Kampf des Luxemburger Vereins gegen den Alkoholismus

Plakat- und Postkartensammlung

Kim Krier

1895 beschäftigte sich eine 6-reihige Artikelserie im Luxemburger Wort mit einer „der traurigsten Erscheinungen, welche das letzte Viertel dieses Jahrhunderts aufzuweisen hat“: der Branntweinplage. Im gleichen Jahr erschien das Werk Die Trunksucht und die Branntweinplage, deren Folgen und Heilmittel von Domkapitular Dr. Karl Müllendorff (1830-1902), das die Geschichte der „Branntweinpest“ in Luxemburg und seinen Nachbarländern beleuchtete und Mittel zu deren nachhaltiger Bekämpfung vorschlug.

Im Illustrierten Mäßigkeits-Katechismus beschäftigte sich derselbe Autor 1899 mit den Ursachen der Trunksucht, zu denen er den Mangel an katholischem Glauben, Unwissenheit, Not, Elend und die übergroße Zahl an Wirtshäusern zählte; das Hauptproblem aber sei „die sinnliche Natur des Menschen, der sich, trotz aller Mühsale des Lebens, glücklich fühlen will“.

Restaurant Volekswuol, Place de la Constitution. Postkarte. Edition Bern. Kutter.

Die religiöse Autorität

Karl Müllendorff war 1899 Stifter und erster Vorsitzende des Luxemburger Vereins gegen den Alkoholismus, welcher dem Alkohol den Krieg erklärte „nicht mit Feuer und Schwert, Kanonen und Mitrailleusen sondern mit Rath und That, in Wort und Schrift“ (Luxemburger Wort, 07.07.1899). Die gesamte Gesellschaft sei gefordert, da der Trunksüchtige nicht nur sich selbst schade, sondern auch Familie und Mitmenschen, vor allem wegen erhöhter staatlicher Ausgaben für Armen- und Krankenpflege oder für den Unterhalt von Irrenanstalten und Gefängnissen, in denen der übermäßige Trinker irgendwann zu landen drohe. Vorherrschend war die Meinung, dass Alkoholkonsum besonders für die Arbeiterschicht gefährdend sei, sie „werden leicht unbrauchbar; […] sie erschlaffen, arbeiten langsam und schlecht, sie sind unzuverlässig und streitsüchtig, erkranken häufig, sind vielen Gefahren ausgesetzt und geben ein schlechtes Beispiel“ (Mäßigkeits-Katechismus, S. 16).

Belehrt werden sollten sie durch „Höherstehende“, wie Lehrer, Ärzte und Geistliche, die sich folgerichtig zahlreich unter den Mitgliedern der Mäßigkeitsbewegung wiederfanden. Besonders aber setzte man auf die Macht der Kirche, welche „die Hüterin aller moralischen Heilmittel“ gegen den Alkoholmissbrauch sei (Luxemburger Wort, 17.09.1885). Die Mitgliedschaft im Verein betrug 1,25 Francs. Lehrer und Lehrerinnen, welche dessen Arbeit durch „antialkoholischen Unterricht“ unterstützten, wurden gebührenfrei aufgenommen. 1905 zählte der Verein 512 Mitglieder, 1907 waren es bereits 1140. Aktives Mitglied im Verein war auch Pfarrer Joseph Sevenig (1869-1927). Er fungierte von 1902 bis 1924 als Sekretär und ab 1924 als Vorsitzender des Vereins und war zeitlebens überaus geschätzt, ob als Seelsorger, Literat oder Geschichtsforscher. Bei seiner Trauerfeier standen Tausende „an seiner Bahre […] und wein[t]en aus Herzensgrund um den guten Freund, um den goldenen Menschen und um den herrlichen Priester“ (Luxemburger Wort, 31.08.1927). 

Postkarte zur Werbung von Mitgliedern des Luxemburger Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke.

Sparvereine, alkoholfreie Gaststätten und „Münchner Bierherz“

Ab 1899 veröffentlichte der Luxemburger Verein gegen den Alkoholismus das monatliche Vereinsorgan Das Volkswohl. Zudem förderte die Organisation, die 1906 zum Luxemburger Verein gegen Missbrauch geistiger Getränke und 1928 dann zum Luxemburger antialkoholischen Verein oder zur Luxemburger Antialkohol-Liga wurde, den Haushaltungsunterricht und organisierte Ausstellungen und Konferenzen. In den ersten vier Jahren des Bestehens wurden über 30 Konferenzen abgehalten sowie 6.000 Bücher und Broschüren und mehr als 150.000 Exemplare von Zeit- und Flugschriften verbreitet. Eine Ausstellung im Jahr 1909 sollte der Bevölkerung den Zusammenhang zwischen Alkoholismus und Krankheiten, Verarmung und Sterblichkeit anhand von Statistiken sowie anatomischen Tafeln und Präparaten vor Augen führen, darunter das „Münchner Bierherz“, ein stark vergrößertes Herz in Folge von überhöhtem Alkoholkonsum.

1911 richtete der Verein eine Beratungs- und Fürsorgestelle für Alkoholkranke und deren Familien ein, die allerdings während des Ersten Weltkrieges wieder geschlossen werden musste. Auch 28 Sparvereine wurden gegründet, da Sparsamkeit als probates Mittel im Kampf gegen Alkoholismus angesehen wurde. Im August 1927 eröffnete der Verein die erste alkoholfreie Speisewirtschaft Volekswuol am Konstitutionsplatz, in der „gute, nährende Kost ohne jedweden Trinkzwang zu sehr mäßigen Preisen“ angeboten wurde. Dabei forderte der Verein grundsätzlich keine vollständige Enthaltung, „bekämpft[e] daher nicht den vernünftigen Gebrauch, sondern nur den unvernünftigen Mißbrauch alkoholischer Getränke“ (Luxemburger Wort, 23.03.1929).

llustrierter Mäßigkeits-Katechismus von Dr. Karl Müllendorff, Luxemburg 1899.

Tee zum Jahreswechsel und Süßmost statt Moselwein

Der Kampf gegen die Trunksucht mobilisierte mehrere Akteure. 1901 entstand der Verband der Luxemburger Frauen gegen den Alkoholismus, der zum Jahreswechsel 1903/04 in den Luxemburger Tageszeitungen dazu aufrufen ließ, dem Besuch am Neujahrstag anstatt des üblichen Glas Alkohols doch lieber einen „wohltuenden Morgenimbiß, eine Tasse Tee, Kaffee oder Chokolade“ anzubieten. Temperantia, der Verein Luxemburger Priester zur Bekämpfung des Alkoholismus, wurde 1915 ins Leben gerufen.

Mathias Donven (1884-1972), u. a. Pfarrer in Altwies, gründete 1931 den Luxemburger Abstinentenverein. Dieser Verein, der später vom Luxemburger Werk der Trinkerrettung unterstützt wurde, betrieb eine Beratungsstelle für Alkoholkranke am Petrusring und publizierte ab 1935 die Zeitung Die Rettung. Ab 1938 war Donven auch Herausgeber der Monatszeitschrift Ärztestimmen, welche Fragen der Volksgesundheit und -ernährung behandelte. Als glühender Befürworter der Abstinenz war Donven ebenfalls Anhänger der Süßmostbewegung, die Obstzüchter und Winzer dazu aufrief, statt Wein eine alkoholfreie Variante herzustellen. „Tausende, welche den Moselwein nicht vertragen können, werden sich wundern, wenn sie aus eigener Erfahrung ersehen, daß unsere sauren Trauben einen besseren Süßmost ergeben, als die besten Trauben des gesegneten Frankreich“ (Obermosel-Zeitung, 26.11.1930).

Werbeanzeige für Coza-Pulver. Aus: L’Indépendance luxembourgeoise, 06.02.1909, S. 4.

Sollten solche Ratschläge nicht fruchten, versprachen allerhand Wundermittelchen Heilung vom übermäßigen Alkoholkonsum, wie das in Zeitungen angepriesene Cozapulver, das in „Kaffee, Thee, Bier, Wasser, Essen oder Spirituosen gegeben werden [kann], ohne dass der Trinker es zu wissen braucht“. Ein alleiniges Heilmittel gäbe es aber nicht, hatte schon Karl Müllendorff 1899 erklärt, „sondern eine ganze Reihe sehr verschiedener Mittel, je nach der Verschiedenheit der Ursachen des Übels. Die Religion und die Erziehung, die Heilkunde, die Staatswirtschaft und die Gesetzgebung müssen alle im Kampfe mithelfen.“

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