Der »Bartrenger Hunnendanz« in Weimar
Luxemburgs tierischer Auftritt in der europäischen Kulturhauptstadt 1999In zahlreichen Luxemburger Bräuchen spielen Tiere eine auffallend wichtige Rolle: sie erscheinen als Sinnbilder und Begleiter in Festen, Ritualen und musikalischen Traditionen des Landes. Bekannt sind etwa heute noch die Hammel, die anlässlich der Luxemburger Kirmes, der Schobermesse, von verschiedenen Ortschaften in die Hauptstadt getrieben wurden, weil sie beim traditionellen Preisschießen gewonnen werden konnten. Musikalisch begleitet wurden die Hammel vom Hämmelsmarsch, gespielt von den mitziehenden Blasmusiken der Herkunftsdörfer der verschiedenen Hammel.
Als Beitrag zur Eröffnung der Kulturhauptstadt Weimar im Jahr 1999 schickt Luxemburg Tiere auf eine künstlerische Prozession: Schüler verschiedener Institutionen schlüpfen in von Luxemburger Künstlern (berühmten oder unbekannteren) hergestellte Tierkostüme, die in Anlehnung an die Echternacher Springprozession nach einer zum Tier passenden, eigens entworfenen Choreografie springen. Die dabei von einer Blaskapelle gespielte Musik ist entweder volkstümlich oder eine Auftragskomposition an einen Luxemburger Komponisten.
Unter den tierischen Darstellern befindet sich auch der Bartringer Hahn, denn über das Bartringer Erntedankfest ist zu lesen: »Een aus Karéien getrötzten Hunn, mat faarwege Bänner a Blumme gemëscht gouf vum Feld an d’Haus getroen. Da sin d’Bauereleit éem den Hunn gesprongen an hu gedanzt, an et koumen eng ganzeg Rëtsch vu gudde Saachen op den Dësch.« (Programmheft zur Tierprozession)
Der Luxemburger Komponist Pierre Nimax sen. (1930–2021) bekommt den Auftrag, für den Bartringer Hahn die passende Musik zu schreiben. Dieses Werk für Blasorchester ist nur ein Beispiel aus dem großen musikalischen Œuvre, welches Pierre Nimax geschaffen hat. Er hinterlässt der Nachwelt etwa 89 Kompositionen und mindestens ebenso viele Arrangements. Als Dirigent, Pianist, Organist, Komponist, Sänger, Pädagoge und Hofkapellmeister hat er die Musikgeschichte Luxemburgs über Jahrzehnte mitgeprägt.
Nimax’ Hunnendanz besteht aus 2 Tänzen, zu denen sich die Schülerinnen und Schüler der Primärschule Bartringen in ihren Hahnenkostümen fortbewegen. Die Kostüme für Hahn, Henne und Küken wurden von Bartringer Grundschullehrerinnen gestaltet. Den Tänzen ist noch eine kurze Einleitung für Perkussionsinstrumente vorangestellt, in denen die kleine Trommel sowie das für den Hahn charakteristische Tom-tom auffallen.
Am 11. und 12. September 1999 bricht schließlich eine über 600-köpfige Prozession aus Luxemburg in die europäische Kulturhauptstadt Weimar auf. Neben den Hähnen aus Bartringen sind u. a. dabei: Esel aus Diekirch mit dem Eselsmarsch von Luc Rollinger, Pferde aus Ettelbrück mit dem Marche des Petits Princes von Marcel Wengler, Schweine aus Bech zur Swinging Miss Piggy von Balli Baldauff sowie die Maus Ketti aus Bürmeringen, Ziegen vom Geesseknäppchen, Bienen aus Wiltz, Péckvillercher aus Nospelt, die Hämelmaous aus Echternach sowie der Pfau aus Esch/Alzette. Auch geschichtlich ist dieser Besuch in Weimar von Bedeutung, denn »am 4. Dezember 1940 reisten schon einmal luxemburgische Musiker nach Weimar. Es waren die Mitglieder der Militärkapelle, die von den Nazis zur ›Umschulung‹ nach Weimar gebracht worden waren und später in der verhassten Uniform in die Heimat zurückkehrten.« (Luxemburger Wort, ohne Datum)
▪ Dies ist ein bearbeiteter Auszug aus dem Katalog der Ausstellung „Pierre Nimax sen. – Zwischen Tasten und Taktstock“, erhältlich auf unserer Webseite oder am Empfangsschalter der Nationalbibliothek. Mehr erfahren
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