Fussball unterm Hakenkreuz Zum Fußballspiel Schalke 04 gegen Stade Düdelingen am 10. Mai 1942

Plakat- und Postkartensammlung

Claude D. Conter

Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Überfall der Wehrmacht auf das Großherzogtum standen sich am 10. Mai 1942 in einem Ausscheidungsspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft der Serienmeister Schalke 04 und der Meister des Gaues Moselland Stade Düdelingen gegenüber.

17.000 Zuschauer sahen im hauptstädtischen Stadion nach Toren von Szepan und Urban einen 2:0-Erfolg der ‚Knappen‘, die später die 6. Meisterschaft seit 1933 (1934, 1935, 1937, 1939, 1940, 1942) feiern konnten.

Fußballkampf

Der Verein Stade Düdelingen, der während der NS-Besatzung unter dem Namen FV Stadt Düdelingen firmierte, war Meister der Gruppe West der Gauklasse Moselland und hatte sich mit zwei deutlichen Siegen (3:0; 4:2) gegen Eintracht Kreuznach, Meister der Ost-Gauklasse Moselland, für die Entscheidungsspiele um die deutsche Fußballmeisterschaft qualifiziert. Mit Schalke 04 und seinen Stars Ernst Kuzorra, Fritz Szepan, Hermann Eppenhof und Adolf Urban stand ein gefürchteter Gegner auf dem Platz: Seit 1932 hatten sich die Blau-Weißen elf Mal für die Vorschlussrunde der Deutschen Meisterschaft qualifiziert, acht Mal standen sie im Endspiel. Hinzu kam ein Pokalsieg bei fünf Endspielteilnamen zwischen 1935 und 1943. Schalke 04 trat in folgender „Bombenbesetzung“ an (LW, 08.05.1942): Urban, Kuzorra, Eppenhoff, Szepan, Kalwitzki, Burdenski, Tibulski, Bornemann, Schweisfurth, Hinz, Flotho. Die spielerische Überlegenheit verdankten die Königsblauen dem sogenannten ‚Kreisel‘-Spiel, einem damals revolutionären Tika-Taka-Kurzpassspiel. 

Bei Stade Düdelingen spielten: Bernard Michaux, Jos Witry, Nik Witry, Nik. Birtz, Vik Feller, Remy. Wagner, Nicolas Geimer, Camille Libar, Paul Feller, Jean Becker, Jean Meylender. Bei der „ehrenvollen Niederlage“ (0:2) wurde insbesondere die Einsatzfreudigkeit der Weißhemden hervorgehoben. Diese zeigten wohl einen harten Einsatz im Einzelkampf („eisenharte Düdelinger“; LW, 11.05.1942), und die Verteidiger Jos und Nik Witry störten früh das Kreisel-Spiel; überrascht schien man auch von der körperlichen Kondition und dem guten Spiel nach vorne, insbesondere in der ersten Halbzeit. „Der Mosellandmeister zeigte gegenüber dem Goliath aus Gelsenkirchen nicht eine Spur von Minderwertigkeitsgefühl; und wenn auch seine technischen und vor allem seine taktischen Fertigkeiten die des Gegners nie erreichten, so half man sich mit den Waffen, die zu Gebote standen. Stahlharter Wille und unberechenbarer Kampfgeist standen im Kampf gegen geschmeidiges fast tänzerisches Zusammenspiel.“ (LW, 11.05.1942)

Propagandaschlacht

Dass das Spiel nicht nur unter fußballerischen Gesichtspunkten verfolgt wurde, lässt sich gleich an mehreren Punkten festmachen. Im Frühjahr musste man sich in der Presse noch eingestehen, dass „das Fußball-Interesse hierzulande an seinem Gefrierpunkt angelangt war“ (Luxemburger Wort, 18.04.1942), doch wollte das CDZ die im ‚Altreich‘ garantierte Presseaufmerksamkeit nutzen, um die Ambitionen Gustav Simons, Luxemburg in das ‚Dritte Reich‘ zu integrieren, zu untermauern. So erließ der Gauleiter, der „eine der großen Entscheidungsschlachten um die ‚Viktoria‘“ (LW, 07.05.1942) ankündigen ließ, für den 10. Mai ein Spielverbot für das gesamte Gebiet Luxemburgs, um ein volles Stadion zu garantieren. Auch sollte das Spiel nicht im heimischen Stadion in Düdelingen mit einem Fassungsvermögen von etwa 4.000 Fans stattfinden, sondern im hauptstädtischen Stadion, wo indes nicht nur Luxemburger dem Spiel entgegenfieberten, sondern auch Reichsdeutsche aus Luxemburg und wohl mindestens 3500 aus den Nachbargauen, die bereits im Vorverkauf Karten erhalten hatten. Wehrmachtsangehörige erhielten verbilligte Karten. Im CdZ vermutete man richtig, dass es beim Spiel um mehr als nur Fußball ging: „Unter den nie erlahmenden Anfeuerungsrufen der Luxemburger Fußballfreunde“ (Düsseldorfer Mittag) und im „brodelnden Hexenkessel“ (LW, 11.05.1942) war der Einsatz auf dem Spielfeld und auf den Tribünen nicht nur sportlichen Motiven geschuldet.

Der Ansetzung des Spiels am symbolträchtigen 10. Mai und die Gaupropaganda rund um das Sportereignis lassen keine Zweifel darüber aufkommen, dass das Spiel im Sinne der ‚Heim-ins-Reich‘-Politik ausgeschlachtet werden sollte. Schalke 04 wurde in der Außenstelle des Reichspropagandaamtes von Leiter Willi Hardt empfangen, der unterstrich, dass „durch die Wiedervereinigung mit dem Reich das sportliche Leben [in Luxemburg] einen starken Auftrieb erhalten habe.“ (Tageblatt, 11.05.1942). Ob die Gelsenkirchener etwas mit dem Begrüßungsgeschenk, dem Propagandabuch Luxemburg und das Reich von Emil Glaß, anzufangen wussten, darf bezweifelt werden; sie wohnten indes der offiziellen Parade zum „Gedenktag“ am 10. Mai bei. Vor Anpfiff spielte die Wehrmachtskapelle „ein paar flotte Märsche“ (Tageblatt, 11.05.1942); die gesamte NS-Führungsriege war auf der Ehrentribüne versammelt und Kreisleiter Adolf Schreder hielt noch eine kurze Ansprache. Nur schwer zu deuten ist die in der Presse bekrittelte Beobachtung, dass mehrere Zuschauer die Ränge vor dem Spiel verlassen hatten. Ob es sich um enttäuschte Fußballanhänger oder um Protestierende handelt, ist schwer auszumachen. In der Presse wurde der Vorgang jedenfalls missbilligt: „Sehr erhebend war es leider nicht, daß bereits 10 Minuten vor Schluß allzueifrige ‚Auchsportler‘ zu den Ausgängen drängten und so Störungen hervorriefen, die besser unterblieben wären.“ (Tageblatt, 11.05.1942)

Wie schnell die Stimmung in Luxemburg kippte, zeigte das folgende als Fußballgroßereignis angekündigte Spiel in Luxemburg. Im Tschammerpokal hatte Stade Düdelingen sich mit Siegen gegen Jeunesse Esch (5:2), Spielvereinigung 07 Köln/Sülz, heute 1. F. C. Köln (2:0) und V.f.B. Stuttgart (2:0) für das Viertelfinale gegen 1860 München qualifiziert. Die 7:0 Klatsche am 27. September 1942 gegen den späteren Pokalsieger war dabei nebensächlich, da die von Gustav Simon angekündigte Einführung der Wehrpflicht am 30. August (am Tag, als Stuttgart gegen Düdelingen verlor) zu Protesten geführt hatte, so dass statt der erwarteten 17.000 Zuschauer und trotz reduzierter Preise, im Vergleich zum Schalker Spiel, nur noch 8.000 im Stadion erschienen. Gauleiter Simon konnte keine vergleichbare Kulisse mehr aufbieten. Noch am 10. September 1942 hatte es geheißen, dass „sich jeder Fußballfreund mit Recht freuen“ würde, vor einem „ausverkauften Hause“ die Münchener Löwen sehen zu können (LW, 22.09.1942). Doch zu dem Zeitpunkt waren Torwart Benny Michaux bereits zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und Nik. Birtz ins KZ Hinzert verbracht worden. An einer weiteren Sportpropagandaveranstaltung bestand kein Interesse mehr.

Erschienen in Die Warte, 25. Mai 2023.

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