Hohe See und niemands Land. Gedichte Wilhelm Bartsch

Nicht-luxemburgisch

Farewell! du bist mir, Liebste, mehr als teuer, / Nimmst du mein Eigentum als deins, mein Stern. / Du warst wie hohe See mir nie geheuer / Und noch beim Lieben wie der Mond so fern.

Mit diesen Versen leitet Wilhelm Bartsch seinen jüngsten Gedichtband ein und nimmt bewusst Bezug auf das 87. Sonett von William Shakespeare, das ihm als Inspiration und gestalterisches Vorbild diente. Der Band enthält knapp 90 Gedichte, darunter 56 Sonette, die mitunter direkt an das Werk des englischen Dichters anknüpfen. Die Gedichte – teils in balladesk-erzählender Form – sind in fünf Abteilungen gegliedert und widmen sich häufig dem Thema Liebe.

Die Struktur des Bandes gleicht einer Reise, die vom Fremden zum Vertrauten, vom Äußeren ins Innere führt. Ausgangspunkt ist das nordische Ginnungagap – der leere Raum des mythischen Urchaos aus der altnordischen Sagenwelt der Edda. Von dort spannt sich der Bogen bis zum greifbaren Chaos der modernen Welt. Bartsch lässt sich dabei von der mittelalterlichen Figur des irischen Mönchs Brendan inspirieren, der einst auf der Suche nach dem „Land der Verheißung“ übers Meer segelte. Brendan wird zum Alter Ego des Dichters: In ihm durchwandert Bartsch eigene Begriffe und Bilder – stets auf der Suche nach Sinn, Orientierung und Halt. Sein Blick richtet sich zugleich wach und kritisch auf die Gegenwart. Bartsch beobachtet, reflektiert und preist das Hier und Jetzt, während er danach strebt, es zu formen und zu verbessern.

Die klassische Form des Sonetts – mit ihren 14 streng geordneten Zeilen – wird für Bartsch zu einem Instrument, das Chaos des Daseins in Ordnung zu bringen. Innerhalb dieser formalen Grenzen entstehen kleine Szenen und poetische Miniaturen, die die rohe Wirklichkeit in lyrische Handlung verwandeln.

Bartschs Lyrik beeindruckt durch ein dichtes Geflecht aus Anspielungen, Verweisen und Querverbindungen, die den Gedichten eine außergewöhnliche Tiefe verleihen. Alte Mythen und Motive verschmelzen mit den Realitäten und Herausforderungen der Moderne und eröffnen so eine vielschichtige, zeitübergreifende Perspektive. Ein umfangreicher Anhang mit Anmerkungen entschlüsselt die komplexen Bezüge und bereichert so das Verständnis der Texte.

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