Olympiade und Kunst Jean Jacobys Ikonografie des Sports

Ikonografische Sammlung

Stefanie Zutter

Während sich Paris auf die Spiele der XXXIII. Olympiade vorbereitet, erinnern wir uns nicht nur an sportliche Rekorde und Medaillen, sondern auch an künstlerische Triumphe. So erhielt das Großherzogtum seine erste Goldmedaille nicht etwa durch einen Sportler, sondern durch den Künstler Jean Jacoby.

Vor genau hundert Jahren errang der Luxemburger bei dem von Pierre de Coubertin als „Fünfkampf der Musen“ konzipierten Kunstwettbewerb die Goldmedaille in der olympischen Disziplin der Malerei.

Die olympischen Spiele und ihre Bilder

Angespornt von klassizistischen Idealen wurden 1896 die ersten modernen Olympischen Spiele ins Leben gerufen. Pierre de Coubertin spielte eine zentrale Rolle bei der Wiederbelebung der mythischen Spiele von Olympia. Seine Vision vom Sport als Mittel zur Förderung von Bildung, Frieden und internationalen Beziehungen führte zur Gründung der modernen Olympischen Bewegung.

Technologische Fortschritte in Fotografie und Drucktechnik sowie die wachsende Bedeutung der visuellen Kommunikation Ende des 19. Jahrhunderts machten Bilder zu einem wichtigen Werkzeug zur Verbreitung der olympischen Ideen. Die ersten Plakate, Gedenkbriefmarken und Trophäen für die Olympischen Spiele 1896 in Athen entwarf der Schweizer Künstler Émile Gilliéron. Seine Zeichnungen spiegelten die Ideen der Gelehrten wider, die die Verbindung zwischen den modernen und den antiken Olympischen Spielen herstellten. Besonders bemerkenswert ist, dass sowohl Gilliérons Ikonografie als auch die sportlichen Disziplinen selbst von den Darstellungen der attischen Vasenmalerei inspiriert wurden. Die auf den Vasen abgebildeten Körperhaltungen und Bewegungsabläufe wurden von Modellen nachgestellt und fotografisch dokumentiert. Diese Fotosequenzen machten antike Sportarten wie das Diskuswerfen wieder sichtbar. Mit den ersten modernen Olympischen Spielen 1896 in Athen wurde das bis dahin in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannte Diskuswerfen offiziell als Wettkampfsportart eingeführt.

Die Künste auf der Olympiade

1904, zehn Jahre nach der Gründung des Internationalen Olympischen Komitees und der Erneuerung der Olympischen Spiele, schlug Pierre de Coubertin vor, die Künste in das Programm der Spiele aufzunehmen. Seine Vision, Wettbewerbe in Architektur, Bildhauerei, Malerei, Literatur und Musik einzuführen, wurde bei den Spielen der V. Olympiade 1912 in Stockholm erstmals realisiert. Drei Olympiaden später, bei den Spielen in Paris 1924, traten bereits 23 Nationen mit insgesamt 189 Werken an. Jean Jacoby gewann für seine Werke „Eckball“, „Start“ und „Rugby“ die Goldmedaille in Malerei. Vier Jahre später, bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam, wurde Jacoby erneut mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, diesmal für seine Kohlezeichnung zum Thema „Rugby“ in der Sektion Zeichnungen und Aquarelle. Im Amsterdamer Stedelijk Museum waren insgesamt 1150 Werke von zahlreichen Künstlern ausgestellt, die dazu beitrugen, den Sport als ästhetisches und kulturelles Phänomen zu etablieren. Doch es war Jean Jacoby, der eine neue, moderne Ikonografie des Sports prägte.

Jacobys dramatischer Moment

Die Lithografie „Plaquage Rugby“ stammt aus einem Olympia-Portfolio, das nach 1924 von der Imprimerie Strasbourgeoise herausgegeben wurde und die besondere Bildwirkung seiner Sportdarstellungen illustriert. Während die olympische Ikonografie zuvor von statischen Darstellungen geprägt war, zeigte Jacoby Sportler in Aktion. Seine Fähigkeit, die Dynamik, Bewegung und Ästhetik des Sports einzufangen, begründete Jacobys internationalen Erfolg in der Ikonografie des Sports.

Der 1891 in Hollerich geborene Jean Jacoby ließ sich an der Städtischen Kunstgewerbeschule in Straßburg zum Zeichenlehrer ausbilden. Zwischen 1912 und 1918 unterrichtete er an der Lewin-Funcke-Schule in Berlin. Daneben entwickelte Jacoby seine Begeisterung für den Sport und vertiefte sein Interesse an der Darstellung des menschlichen Körpers in Bewegung. Jacoby nutzte verschiedene Medien und Stile für seine Sportdarstellungen; seine erste Olympiamedaille gewann er für Gemälde im realistischen Stil. Danach spezialisierte er sich auf Zeichnungen. In den 1920er Jahren arbeitete er als künstlerischer Berater für die Imprimerie Strasbourgeoise und begann, seine eigenen Werke druckgrafisch zu vervielfältigen.

„Plaquage Rugby“ ist ein hervorragendes Beispiel für Jacobys Ikonografie des Sports: Es zeigt zwei Rugbyspieler beim sogenannten Tackle – einem Schlüsselmoment des Spiels, der aufgrund seiner technischen Präzision, strengen Sicherheitsregeln und hohen physischen sowie mentalen Anforderungen an die Spieler besondere strategische Bedeutung hat. Tackles dienen dazu, den Raum des gegnerischen Teams einzuschränken und die Dynamik zu verändern. Jacoby schildert den Augenblick des Angriffs, bei dem sich der Tackler tief positioniert, den Gegenspieler mit der Schulter aufhält und seine Arme um dessen Hüften schlingt. Es ist dieser dramatische Moment, den Jacoby festhält, wodurch er nicht nur die erhebliche körperliche Leistung, sondern auch den Charakter und die mentalen Anforderungen des Rugbysports widerspiegelt.

Linienzeichnung, Schraffur und Schattierung der Lithografie tragen die Spuren einer Kohlezeichnung. Jacoby skizziert die Szene in wenigen kraftvollen Linien mit starken dramatischen Effekten. Die dunkelsten, kraftvollsten Linien konzentrieren sich auf den Kontaktpunkt der Schulter – dem Epizentrum der Energie und emotionalen Kraft. Der noch aufrechte Spieler mit dem Ball ist in Schraffuren in verschiedenen Richtungen und Schattierungen gezeichnet, während alle Striche des Angreifers in dieselbe Richtung verlaufen und dessen schnelle, kraftvolle Bewegung unterstreichen.

Nach seinen Erfolgen bei der Pariser Olympiade arbeitete Jacoby als Zeichenstift-Reporter für den Berliner Ullstein Verlag. Nach dem Ende der Inflation ging es aufwärts in der Hauptstadt. Berlin hatte ein Flair von großer Welt und war Zentrum für Fortschritte in Technik und neuen Massenmedien. Jacoby war Bildredakteur und lieferte zahlreiche Zeichnungen zu Sport, aber auch zum technischen Fortschritt in Luftfahrt und Automobil – Motive, die seine Faszination für Geschwindigkeit, dem zentralen Thema der 1920er Jahre, widerspiegelten.

Erschienen in Die Warte, 4. Juli 2024.

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