Die Bürstenfabrik Eugène Beck Was eine Preisliste über die Geschichte eines mittelständischen Unternehmens verrät
Die Ephemera-Sammlung der Nationalbibliothek enthält gedruckte Gebrauchsdokumente, wie zum Beispiel Werbeanzeigen oder alte Rechnungen. Bei Ephemera handelt es sich um Dokumente für den einmaligen Gebrauch, die meist nicht zum Aufbewahren gedacht waren und deswegen auch selten ihren Weg in die Bibliotheken gefunden haben. Doch gerade sie ermöglichen einen besonderen Einblick in das Alltagsleben der Vergangenheit, so etwa die Illustrirte Preisliste der Bürstenfabrik Eugène Beck, die Bestandteil der Schenkung des Nachlasses von Dr. Henri Kugener ist.
1875 gründet Joseph Eugène Beck (1854-1918) eine Fabrik in Rollingergrund. Laut Luxemburger Handels-Adressbuch von 1904 waren in der seit 1849 eigenständigen Gemeinde u. a. die Cigarrenfabriken von Eugène Deitz und Pierre Adam Janson ansässig sowie die Essigfabrik Sebastian Fuchs, die Mineralwasser- und Limonadenfabrik Albert Hilger und die Kunstgärtnereianstalt Jean Welkenbach. Insgesamt sind etwa 70 klein- und mittelständische Betriebe für Rollingergrund aufgeführt. Zunächst stellt die Beck’sche Fima Tinte her, später auch Bürsten. So ist etwa auf alten Briefkopf-Rechnungen zu lesen „Manufacture de Brosses, Encres, Cirages et Allumettes“.
Beck scheint schnell ein Meister seines Faches geworden zu sein, denn im Katalog von 1897 verweist er auf mehrere Auszeichnungen („1 Bronze – 3 Silberne Medaillen“), in der Illustrirten Preisliste um 1905 waren es bereits 6 Medaillen. Die erste Auszeichnung für seine „National-Tinte“ (Luxemburger Wort, 19.06.1880, S. 2) erhielt Beck 1880 anlässlich der Gewerbe-Ausstellung in Ettelbrück. 1887 gewinnt Beck auf der vom Acker-und Gartenbau-Verein organisierten internationalen Ausstellung eine silberne Medaille für seine „schöne Sammlung von Bürsten“. Im Laufe der Jahre baut der Fabrikant sein erfolgreiches Unternehmen aus. So lässt er im Vorwort seiner 1897 erschienenen Preisliste verlauten, dass er 1893 die Viandener Bürstenfabrik übernommen habe und 1897 auch für die „Arbeit in den Gefängnissen zu Diekirch“ verantwortlich sei, wodurch er seinen Kunden eine noch größere Auswahl an Bürsten anbieten könne. Später kauft Beck auch noch einen Teil der Bürstenfabrik Isidor Simon in Trier.
Im Jahr 1900 beschäftigt Beck laut allgemeinem Bericht der Handelskammer über die Lage des Handels und der Industrie im Großherzogtum insgesamt 40 Arbeiter. 1901 soll er in Diekirch 4500 Dutzend Bürsten produziert und 73.000 kg Rohmaterial verarbeitet haben. Der Katalog von 1897 bietet von Kehrbesen über Epauletten- und Kleiderbürsten bis hin zu Weihwasserwedeln insgesamt 40 verschiedene Arten von Bürsten und ca. 350 Varianten an. Wem diese Auswahl nicht genügt, den bittet der Händler „um Einsendung eines Musters“. Zudem bewirbt Beck auch Schwämme oder Putztücher und -mittel wie Sardemann‘s Ofenglanzpomade, deren Alleinverkaufsrecht Beck für Luxemburg besitzt. In einer Zeitungsanzeige im Luxemburger Wort von 1891 annonciert der Unternehmer auch „Olivenöl Toiletteseife, das beste für die Hautpflege“. Schuh- und Lederputzmittel werden ebenfalls von Beck vertrieben, wie Diamantine, „die Krone aller Schuh-Cream“. Für die Putzpasta und das Lederfett der Marke Büffel war Beck Hauptvertreter für Belgien und Luxemburg; er garantiert in Inseraten eine „hochfeine Qualität“, die er in Waggonladungen zu „vorteilhaftesten Preisen“ beziehe.
In seiner 8-seitigen Illustrirte[n] Preisliste über „Durable“ Bürsten preist Eugène Beck die von ihm erfundenen Bürsten an, die überall „beliebt und gefragt“ seien. Becks Besen waren so angesehen, dass sie sogar gefälscht wurden. Bereits im Preiskatalog von 1897 hatte der Hersteller die Kundschaft gewarnt: „In letzter Zeit machen gewissenlose Fabrikanten viele meiner Muster nach, ja dieselben scheuen sich nicht auf ihre ordinären Bürsten sogar meine Nummern zu setzen, z. B. Schrupper No 5, 17 etc.“ Seine „Durable“-Bürsten lässt er deshalb gesetzlich schützen und führt eine Schutzmarke ein. Die begehrten Putzhelfer gibt es in den Ausführungen Abseif-, Pferde- und Mähnenbürsten, sowie als „Schrupper“ und Kehrbesen. Teuerstes Produkt ist der Kehrbesen Pariser Façon, „reich verziert“ mit Stiel für 12 Franken. Es gibt sogar ein Schrubber-Modell mit Namen Esch, „speziell für die Escher Gegend“, dieser sollte wahrscheinlich besonders gut gegen den hartnäckigen Staub und den Ruß aus den Hochöfen der Minett-Metropole vorgehen.
Doch das Bürstengeschäft scheint mit den Jahren weniger gewinnbringend geworden zu sein, u. a. durch die Verteuerung der Rohstoffe wie Fasern und Schweineborsten sowie durch die Erhöhung der Arbeitskosten. Die Produzenten beklagen 1905 im Bericht der Handelskammer zudem den hohen Konkurrenzdruck auf dem Bürstenmarkt. Im Handels-Adressbuch von 1904 sind fünf Bürstenfabriken gelistet: Beck, Dervaux, Thommes, Sinner & Wölfring in Luxemburg-Stadt und Büchler-Reuland in Fels sowie die Bürstenmanufaktur Steinhäuser-Bartz in Ettelbrück und weitere 25 Bürsten- und Pinselhandlungen. Hinzu kommt der Wettbewerb mit großen Kaufhäusern wie dem Grand Bazar Champagne, der seine Artikel, darunter auch Bürsten-Waren, „mit allen Neuheiten in grösster Auswahl zu bekannt billigen aber festen Preisen“ anbietet und so zusätzlich die Preise drückt. Trotz dieser Konkurrenz kann Beck sich behaupten, vielleicht auch, weil die Firma ihren Geschäftsbereich immer wieder ausweitet. 1909 inseriert sie den Alleinverkauf für das Großherzogtum von Bindfäden, Packstricken und Schuhgarnen. Erst 1962 schließt der Betrieb, der später vom Sohn Ernest Beck (1883-1956) übernommen worden war, endgültig seine Pforten.
Erschienen in Die Warte, 27. April 2023.
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